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„Ihr seid ja recht aufgeräumt/' spottete der Rabe, der es mit
ansah, „Ihr habt wohl zu viel Weintrauben genossen?"
„Ach," sagte der Huchs, „ich mag die Weintrauben nicht, sie sind
noch nicht reif und schmecken bitter."
„Und dabei hängen sie für Lucb zu hoch," spottete nochmals der
Rabe.
04. Rätsel.
(Hoffinanii von Fallersleben.)
Lin Utännlein steht im Walde
ganz still und stumm,
es hat von lauter Purpur
ein Uläntlein um.
Lagt, wer mag das Wännlein sein,
das da steht im Wald' allein
mit dem purpurroten Ukäntelein?
Das Wännlein steht im Walde
auf einein Bein
und hat auf feinem bfaupte
schwarz Aäpplein klein.
Lagt, wer mag das Ucännlein sein,
das da steht im Wald allein
mit dem kleinen schwarzen Aäppelein?
Das Wännlein dort auf einem Bein,
init feinem roten Ucäntelein
und seinen! schwarzen Aäppelein,
kann nur die Hagebutte sein!
05. Der Kürbis und die Eichel.
(Schmid.)
Lin Bauersmann lag in dem Lchatten einer Liche und betrachtete
eine Aürbisstaude, die an dem nächsten Gartenzaune emporwuchs. Da
schüttelte er den Aopf und sagte: „ijmm! hum! das gefällt mir nicht,
daß die kleine niedrige Ltaude eine so große, prächtige Hrucht trägt,
der große, herrliche Lichbaum aber nur so kleine, armselige Früchte
hervorbringt. Wenn icb die Welt erschaffen hätte, fo hätte mir der
Lichbaum init lauter großen, goldgelben, centnerschweren Aürbissen pran-
gen müssen. Das wäre dann eine j/racht zum Ansehen gewesen."
Aauiii hatte er dieses gesagt, so siel hock) aus dein Gipfel des
Baumes eine Lichel herab und traf ihn so stark auf die Nase, daß sie
blutete. „O weh," rief jetzt der erschrockene Wann, „da habe ich für
meine Naseweisheit einen derben Nasenstüber bekommen. Wenn diese
Lichel ein Aürbis gewesen wäre, so hätte er inir die Nase gar zerquetscht."
Uut Weisheit und init Wohlbedacbt
hat Gott die ganze Welt gemacht.
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126. Der lügenhafte Hirtenknabe.
(O. Schulz nach Schmid.)
Ein Hirtenknabe hatte sich das Lügen angewöhnt und meinte,
im Scherz dürfe man schon lügen. Oft rief er mit ängstlicher
Stimme: Ein Wolf! ein Wolf! Wenn dann die andern Hirten
zusammenliefen, lachte er sie aus, daß sie so leichtgläubig wären.
Eines Tages fiel wirklich ein Wolf in die Herde des Knaben
ein. Da rief er wie -sonst: Ein Wolf! ein Wolf! Aber die
Hirten dachten: Dich kennen wir schon! Darum eilte auch keiner
zu Hilfe, und der Wolf würgte ungestört in der Herde des
Knaben. Als der Knabe nachher darüber klagte, mußte er das
Sprüchlein hören:
Einem Lügner glaubt man nicht,
wenn er auch die Wahrheit spricht.
127. Ich mag nicht lügen.
(Schlez.)
Einem Knaben hatte jemand ein kleines Beil zum Spielen
gegeben. Daran hatte er seine große Freude und hieb damit,
wie es eben traf, und es traf manchmal hin, wo es nicht gut
war. Wie der Kleine mit dem Beile auf der Schulter auch in
den Garten kam, dachte er: „Nun will ich ein tüchtiger Holz-
hauer sein," und fing an und hieb seines Vaters schönstes Nuß-
bäumchen um.
Den andern Tag kam der Vater in den Garten, und als
er das schöne Bäumchen welk am Boden liegen sah, wurde er
betrübt und zornig. „Wer mir das gethan hat," rief er, „der
soll mir's schwer büßen!" Aber wer es gethan hatte, das wußte
kein Mensch außer einem; der stand gerade hinter der Hecke,
hörte, wie der Vater so zürnte, und wurde feuerrot. Es ist
schlimm! dachte er; aber wenn ich's verschwiege, so wär's eine
Lüge, und lügen mag ich nicht. So trat er denn schnell in den
Garten zum Vater und sagte: „Vater! ich habe das Bäumchen
umgehauen; es war dumm von mir." — Da sah der Vater
den Knaben an, und er machte wohl noch ein ernsthaftes Ge-
sicht; — aber er zürnte nicht mehr.
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